UN-Migrationspakt: „Mit Fakten dagegen halten“

Veröffentlicht am 06.01.2019 in Veranstaltungen

Beiträge zu Versachlichung der Debatte und zur Richtigstellung von gezielten Falschbehauptungen waren der Vortrag und die breite Diskussion zum Thema „UN-Migrationspakt – kommt jetzt die ganze Welt zu uns?“ am Freitag, 4. Januar, im Bürgersaal der Verwaltungsscheune in Kirchzarten. Die Veranstaltung wurde vom SPD-Arbeitskreis Migration und Vielfalt Breisgau organisiert.

Gerne genutzt wurde vom Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald der SPD die Möglichkeit, sich von einem Vertreter der Vereinten Nationen aus erster Hand über ein Thema informieren zu lassen, das von Rechtspopulisten ausgeschlachtet wird, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Eckart Schiewek, SPD-Mitglied seit 2017, zur Zeit auf Heimaturlaub in Baden, ansonsten als UN-Beamter in New York tätig, stand in der Veranstaltung als Privatperson Rede und Antwort. Aus seinen rein sachlichen Darlegungen wurde aber ersichtlich, wie weit Tatsachen, rechte Propaganda und Polemik auseinanderklaffen.

„Mit Fakten dagegen halten“ sei das Gebot der Stunde, sagte Bernd Engesser vom Vorstand der AG Migration und Vielfalt bei der Begrüßung der rund 50 Zuhörerinnen und Zuhörer. Er bezog sich dabei auf die Tatsache, dass, wie er sagte, „Populisten von rechts mit Fake News und Agitation“ Front gegen den Migrationspakt machen.

Aus dem Kreis der versammelten Zuhörerinnen und Zuhörer wurde Dankbarkeit darüber geäußert, „dass sich die UN dieses Themas angenommen hat“. Der Tenor war: Im UN-Migrationspakt liegen große Chancen, die nicht nur auf staatlicher, sondern auf regionaler und kommunaler Ebene ergriffen werden könnten. Die formulierten Ziele eröffneten Perspektiven der Weiterentwicklung und Zusammenarbeit sowohl in den beteiligten Staaten als auch in den jeweiligen Zivilgesellschaften. Nun müsse man diesen Prozess in Gang bringen und forcieren. Wenn alle beteiligten Staaten an diesen Zielen arbeiten, werden sich die Migrationsbewegungen künftig in Grenzen halten, lautete die unausgesprochene Botschaft.

Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ wurde bei der UNO-Konferenz am 10. Dezember 2018 im marokkanischen Marrakesch von rund 150 Staaten gebilligt. Es handelt sich um einen Orientierung gebenden Kooperationsrahmen, der „23 Ziele und deren Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung“ umfasst. Jeder Punkt enthält ein anzustrebendes Ziel, gefolgt von einer Reihe von Vorschlägen, die „als relevante Politikinstrumente und bewährte Verfahren“ angesehen werden.

Dass mit der Übersetzung vom Englischen ins Deutsche die eine oder andere Unschärfe in den Text gekommen ist, wurde in der Versammlung im Blick auf Verdrehungen, Verkürzungen und Lügen der Populisten ausdrücklich bedauert. Klar herausgekehrt wurde aber, dass diese Vereinbarung zwar eine Willensbekundung, keinesfalls aber eine Festlegung mit rechtsverbindlichem Charakter ist. Was die Staaten daraus machten, obliege ihrer freien Entscheidung und Interessenslage, erläuterte der Referent sinngemäß. Die Zuhörerinnen und Zuhörer begrüßten den UN-Vereinbarung zur Migration - das Wort „Pakt“ wurde als irreführend bezeichnet.

Die USA, Tschechien, Ungarn, Polen und Österreich stimmten gegen diese Vereinbarung. In Deutschland wandte sich vor allem die rechtspopulistische AfD gegen die Annahme des Migrationspaktes. Eine durch die Wohlstandsverheißungen der westlichen Welt angestachelte „Migration in die Sozialsysteme“ wird von ihr unterstellt. Die Behauptung, es sei alles im Geheimen verhandelt worden, sei falsch, wurde dargelegt. Die AfD habe sich der Diskussion im Vorfeld der Entscheidung einfach selbst entzogen, war in der Versammlung zu hören.

Das Thema UN-Migrationspakt sei noch nicht erledigt, sagte Bernd Engesser. Der Grundsatzbeschluss sei zwar gefasst, doch beginne nun der Prozess der Umsetzung. in diesem Jahr stünden Kommunalwahlen und Europawahlen an. Und da komme es darauf an, den Populisten mit Tatsachen entgegen zu treten.

Vortrag und Diskussion waren darauf angelegt, einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte zu leisten. Am Beispiel des Ziels Nummer 7 „Bewältigung und Minderung prekärer Situationen im Rahmen von Migration“ wurde deutlich, wie viel Interpretationsspielraum mit Manipulationspotenzial in dem UN-Text steckt. Anders als von Thilo Sarrazin behauptet, geht es in diesem Abschnitt gar nicht um einen Flüchtlingsrechtsrahmen. Der Buchautor, der mit seinen Thesen zu Themen wie „Masseneinwanderung“, „Überfremdung“ und „Islamisierung“ hervorgetreten ist, unterstellt nämlich, dass unter Punkt 7 „Fluchtmigration und reguläre Migration durcheinander geraten“ seien. Unter anderem werde der „Spurwechsel“ von Flüchtlingen und illegalen Einwanderern in reguläre Migration gefordert.

Das gebe der Originaltext gar nicht her. Das stehe gar nicht drin in diesem Abschnitt, wurde in der Versammlung dargelegt. Das sei eine „konsequente Falschbehauptung“. In Wirklichkeit, so war zu hören, geht es unter Punkt 7 darum, auf der Grundlage des Völkerrechts und der Menschenrechte jenen Migranten beizustehen und sie zu beschützen, die sich unterwegs in einer prekären Situation, einer schwierigen Lage befinden.

In der Diskussion ging es auch um die Frage, was der Unterschied zwischen Flüchtlingen, Migranten und Asylanten sei. Flüchtling, so war zu hören, ist eine Person, die aus ihrer Heimat aufgrund äußerlicher Umstände wie wirtschaftlicher und politischer Zwänge, gewalttätiger Auseinandersetzungen, Natur- oder Umweltkatastrophen oder anderer lebensbedrohlicher Notlagen fliehen. Wer beantragt, den Flüchtlingsstatus zuerkannt zu bekommen, gilt als Asylbewerber.

Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 fasst den Flüchtlingsbegriff noch enger: Danach gilt als Flüchtling eine Person, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ ihr Heimatland verlassen hat.

Migranten sind Personen, die ihren Lebensmittelpunkt auf Dauer in ein anderes Land verlegt haben. In Deutschland wird der Begriff Migranten oft auch zur Bezeichnung von Familien verwendet, die dauerhaft eingewandert sind. Migration finde nur sehr selten über die Grenzen von Kontinenten hinweg statt, sagte der Referent. Populisten verbänden damit aber die Vorstellung von einer Bedrohung unserer abendländischen Kultur.

Innerhalb der europäischen Union gibt es auch die so genannte Arbeitsmigration, die durch die Freizügigkeitsregelung erleichtert wird. Arbeitsmigranten schicken dem Vernehmen nach immer auch große Summen in die Heimat, um ihre Familien zu unterstützen. Ein Ziel des Migrationspaktes sei es, den „Wildwuchs“ bei den meist von dubiosen Privatunternehmen vollzogenen illegalen Geldtransfers in sichere und kostengünstige Bahnen zu lenken. Anders, als von den Populisten behauptet, gehe es bei der Arbeitsmigration nicht um Lohndumping. Der Migrationspakt ziele auf gleiche Arbeitsverhältnisse für Einheimische und Migranten in allen beteiligten Ländern.

Bernd Michaelis

 

Weiterführende Info:

Webplattform der UN für Flüchtlinge und Migration

 

Homepage SPD Kreisverband Breisgau-Hochschwarzwald

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